Die Idee des Lernstübchens
Seit 25 Jahren gestalte ich differenziertes Arbeitsmaterial für die Grundschule, anfangs mit Schere und
Kleber später mit Corel am PC. Es
war von Anfang an mein Traum, einen Gesamtfundus für mich herzustellen, der für die Alltagsbedarfe meiner
Kinder in der Grundschule zu unterschiedlichen Themengebieten das passende Material bietet.
Zunächst im Kollegium und seit 2012 in Internetforen teile ich meine Ideen und habe dabei das Interesse anderer und dadurch den Wert meiner Sammlung erkannt. Daraus ist die Idee des Lernstübchens entstanden. Doch erst einmal der Reihe nach…
Ich in Eckdaten…
Im Winter 1994 habe ich in Münster mit drei eigenen Kindern (3, 5 und 7 Jahre) mein Referendariat
abgeschlossen und so manches mal stand mir in dieser Zeit der Schweiß auf der Stirn. Neben einer hohen
Belastung hatten jene Jahre auch viel Gutes, denn vieles von dem, was ich für die Schule machte, ließ sich
mit meinen eigenen Kindern zu Hause verknüpfen. Auch umgekehrt profitierte die Schule von meinem Leben mit
den eigenen Kindern, denn ich konnte mich in die Kinder meiner Klassen einfühlen und wusste, wie man sie
ansprechen kann, um verständlich zu sein und ein Ziel zu erreichen. Schon damals habe ich gerne an
Unterrichtsmaterialien gebastelt und im Eifer oft mehr produziert, als ich brauchte.
Immer schon war für mich der Weg das Ziel.
Es musste nicht alles direkt perfekt sein, sondern eine
Möglichkeit bieten, sich gemeinsam mit den Kindern auf den Weg zu machen. Auch wenn vieles schnell gehen
musste, um ausprobiert zu werden, so gab es auch Dinge, die ganz in Ruhe wachsen durften. So war es damals
und so ist es heute…
Mein Unterricht heute…
Jetzt unterrichte ich seit 25 Jahren eigene Klassen, ohne dass mein Elan in irgendeiner Weise nachgelassen
hätte. Auch heute liegt mir jedes Kind sehr persönlich am Herzen. Mir ist es wichtig herauszufinden, was sie
bereits mitbringen und gerne machen, um daran anzuknüpfen und gemeinsam mit den Kindern ihre Lernwege zu
gestalten.
Während ich in den ersten Jahren in meiner Begeisterung wahrscheinlich mit einem
Überangebot manchmal verwirrt haben
werde, ist es für mich heute wichtig, Kinder und Eltern mit ins Boot zu holen und gemeinsam das Lernen zu
gestalten. Hier liegt dann in dem „weniger ist mehr“ der zielführendere Ansatz. Oft wissen die Kinder selbst
sehr gut, was möglich ist und sollten immer wieder erfahren, dass sie die wichtigsten Akteure ihres eigenen
Lebens sind.
Ein Fußballspieler, der unmotiviert auf den Platz geschickt wird, steht im Weg rum, während der Motivierte
ein gutes Spiel macht.
Es kommt erst einmal darauf an, zu wollen.
Heute spielen in meinem Unterricht freie Arbeitsphasen, in denen auch gespielt werden kann, eine große Rolle.
Mit Tages-, Wochen- oder Arbeitsplänen zu arbeiten, die zieltransparent gestaltet sind und die individuellen
Möglichkeiten der Kinder berücksichtigen, ist für mich die favorisierte Arbeitsform. Hier ist es möglich, dass
die Kinder sowohl alleine arbeiten, als auch mit Partnern. Diese beiden Arbeitsformen sind den Kindern schnell
vertraut und für sie gut zu überblicken. Während der freien Arbeitsphasen ist es wichtig, dass die Kinder auf
übersichtlich dargebotenes Material oder auch Arbeitsblattsammlungen in bereitgestellten Ordnern zugreifen
können. So ist es gegeben, dass die Kinder ihren Lernerfolg bestmöglich selbst verantworten und ihre Erfolge
auch erleben können, indem die gesteckten Ziele weitgehend selbstständig erreicht werden.
Gut organisierte freie Arbeitsphasen bieten mir die Möglichkeit, mich mit einzelnen Kindern oder kleinen Gruppen
zu beschäftigen und hier zu unterstützen oder neues Material einzuführen. Daneben wird gemeinsam im Stuhlkreis
gearbeitet.
Mein Material in meinem Fundus…
Um grundlegende Ziele im Unterricht erreichen zu können, habe ich mittlerweile eine sehr genaue Vorstellung,
wie mein Material beschaffen sein sollte. Es muss
- selbsterklärend sein,
- reizarm und übersichtlich gestaltet sein (schwarz-weiß, genügend Platz),
- immer wieder einzelne Aufgabenkärtchen anbieten, um die Aufmerksamkeit zu fokussieren,
- einen hohen Aufforderungscharakter haben,
- spielerische Angebote beinhalten,
- zielorientiert gestaltet sein (in der Regel inhaltlich keine Mischformen) und
- immer auch in kleinen Details liebevoll gestaltet sein.
So sind Arbeitsblattsammlungen, Arbeitsheft in unterschiedlichen Formaten, Karteien, Spiele und Legematerial
entstanden. Sie sind oft aufeinander abgestimmt, um es meinen Kindern breit differenziert anbieten zu
können.
Um meine Vorstellungen umsetzen zu können, habe ich mich auf den Weg gemacht, Grafiker zu finden, die mein
Vorhaben möglich machen. (Martina Lengers und Johannes Ritter)
Letztlich erscheint es mir wichtig, dass mein Materialfundus insgesamt einen gewissen Wiedererkennungswert
hat und auch damit für Motivation sorgt, indem die Kinder auf den ersten Blick schon erkennen können, dass
die gestellte Aufgabe zu schaffen sein wird.
Meine Motivation…
Meine eigene Mutter schrieb es mir schon in mein Poesiealbum:
„Sag nie: ich muss! Sag: ich will!
und was du musst, wird leichtes Spiel…“
Cäsar Flaischlen
Aus dem Teilen im Kleinen (angefangen im Kollegium und später auch auf öffentlichen Plattformen) ist der
Wunsch entstanden, auch im Großen zu teilen. Nie gab es hier für mich ein Gefühl von
ich muss, sondern immer von ich möchte,
indem ich ganz einfach das weitergegeben habe, was ich auch für meine eigene Klasse
brauchte. So ist es bis heute geblieben:
ich gebe weiter, was ich erstelle, ohne den Druck etwas zu müssen.
Dafür bot sich ein eigener Blog an, auf dem ich schalten und walten konnte, so wie ich es richtig fand.
2014 habe ich mich also entschieden, einen solchen Blog, mein Lernstübchen,
zu eröffnen und damit auch ein Stück Verantwortung zu übernehmen, vor dem ich durchaus bis heute Respekt
habe.
Das Weitergeben hat sich zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt, denn das Interesse war groß und mein
damals kostenloser Blog wurde viel gelesen.
- Ich wollte aktiv gestalten, ohne wirklich alles absehen zu können, was auf mich zukommen wird,
- ich wollte etwas riskieren, etwas ausprobieren und etwas dazulernen
- ich wollte meine Arbeit weitergeben, in der Gewissheit, dass auch etwas zurückkommen wird und
- mich letztlich selbst motivieren, meinen Unterricht so vorzubereiten, dass jedes Kind die Chance erhält, bestmöglich gefördert zu werden.
Das Geben (teilen, anregen und unterstützen, etwas erreichen,
bewirken und bewegen) sowie das Nehmen
(Gesten, Anregungen, Dankeschöns oder Hinweise auf Fehler, um mein Material verbessern zu können),
bereichert seitdem mein Leben und ist zu einem ganz wichtigen Bestandteil meines Alltags geworden.
Hier ein Blogbeitrag,
der für mich damals wie heute gilt.
Wirklich wichtig waren mir immer eure Kommentare, ein gemeinsames Überlegen rund um Materialien, ein
Mitdenken rund um Probleme im Unterrichtsalltag und ein sich gegenseitiges Mut machen, wenn es mal nicht so
rund lief.
Die große Bühne ist für mich bis heute befremdlich, aber es ist schön zu wissen, dass es ein durchgehend
großes Interesse an meiner Arbeit gibt und es sich lohnt, in täglich kleinen Schritten am Ball zu bleiben.
Es ist mir immer wieder aufs Neue ein Anliegen, mein bestes zu geben und letztlich ist es genau das, was mir
am Ende des Tages auch ein Gefühl der Zufriedenheit gibt.
Die Entstehung und der Werdegang des Lernstübchens
Wie oben schon gesagt, gibt es mein Lernstübchen
seit Februar 2014. Sehr
schnell schien das Interesse, meinen Blog zu lesen groß und meine Freude sowie meine Überraschung darüber
noch größer. Im gemeinsamen Austausch ist viel entstanden und ich machte meine Erfahrungen mit
- der Gestaltung eines Blogs,
- der Organisation (mit Hilfe der Dropbox),
- der Frage wie man übersichtlich gestaltet (durch Labels),
- wie ich diese neue Arbeit in meinem Alltag integriere
und ging in meinem Projekt zunehmend auf.
Anfang 2016 wurde ich dann durch eine Krebserkrankung aus allem herausgerissen und schnell war entschieden,
dass ich parallel zu dem, was meine Klasse (die ich schweren Herzens abgeben musste) im Unterricht
erarbeitete auch mein Lernstübchen weiter gestaltete. Meine Familie aber auch genau diese Aufgabe gaben mir
Halt, neben alle dem, was es durchzustehen und zu verarbeiten galt. Oberstes Gebot war es zu jeder Zeit, das
zu machen, was mir guttat und umgekehrt auch wegzulassen, was nicht passte.
2017, noch nicht zurück im Schuldienst, stellte dann die Dropbox vieles um, der neue Datenschutz stellte
mich zusätzlich vor neue Aufgaben und so musste derartig viel überdacht werden, dass ich mich in Rücksprache
mit vielen entschloss, den Blog ganz neu zu organisieren. Mein Material wanderte in ein Archiv, das mein
Bruder programmierte und da dadurch Kosten entstanden, entschied ich mich, diese über einen Mitgliedsbeitrag
auf den Schultern aller Interessierten zu verteilen.
Neben der Gestaltung meines Blogs und der Herstellung des Materials, stellte mich dieses Projekt nun vor
ganz neue Aufgaben, wie der Verwaltung von Anmeldungen und Daten. Beherzt trug ich zunächst handschriftlich
alles in ein DIN A5 Heft ein und versuchte den Überblick nicht zu verlieren. Ohne dass mir schon in aller
Härte bewusst war, dass ich über kurz oder lang mit meinem geblümten Heftchen völlig überfordert sein würde,
sprang mein Sohn Laurin in die Bresche. Er schien schnell zu realisieren, dass er völlig ungebremst in eine
ziemliche Nummer gestolpert war, die ihn sowohl reizte als auch mit einer Kraft mitriss, dass wirklich ganz
bewusste Entscheidungen erst einmal ausblieben.
Das Interesse an meinem Lernstübchen blieb trotz Mitgliedsbeitrag erhalten. Wir
kamen aus dem Staunen und der Freude über eure freundlichen Rückmeldungen nicht heraus. Schnell wurde
allerdings deutlich, dass mit der damaligen Umsetzung nicht alles ideal war.
Viele Monate (zwischen Herbst 2018 und Mai 2020) saßen Laurin und ich mit einem kleinen Team von
befreundeten Informatikern daran, aus dem Lernstübchen das zu machen, was es in unserer Vision bieten
sollte. So hat sich in einer unendlichen Kleinarbeit das Lernstübchen 2.0
entwickelt.
- Blog und Archiv sind endlich wieder miteinander verzahnt,
- das Kommentieren und der Austausch sind wieder problemlos möglich,
- es gibt eine fundierte Suchfunktion mit Filtermöglichkeiten und
- vieles von dem, was die heutige Technik bietet, haben wir genutzt, um aus dem Lernstübchen eine nutzerfreundliche Plattform zu machen.
Es bietet immer Entwicklungspotential, aber bereits jetzt (zum Umzug im Mai 2020) sind wir Meilensteine
weitergekommen und unserer Vision näher:
Eine lebendige und nutzerfreundliche Plattform mit einem breit differenzierten Fundus zu bieten, der
motivierten und offenen Grundschullehrer*innen die tägliche Unterrichtsvorbereitung erleichtert.
Abschließend sprechen wir ein ganz herzliches Dankeschön an alle aus, die das Lernstübchen nutzen, es
weiterempfehlen und ihm treu bleiben. Wir sind gespannt auf das was kommen wird, wer ihr seid und welche
Anregungen ihr mit uns teilt.
Liebe Grüße
Gille und das Lernstübchen-Team